„Wir erinnern uns – jüdische Mitbürger in Nußloch“
Der 22. Oktober (Deportation badischer Juden in das Internierungslager Gurs) und der 09. November (Reichskristallnacht) eines jeden Jahres sind immer wieder Anlass zur Erinnerung an unsere deutsche und badische Geschichte und auch an diese Zeit hier in Nußloch. Deshalb begehen wir jährlich ein Gedenken, entweder in einer der Kirchen oder am Mahnmal im Nepomukpark.
Das ökumenische Jugendprojet „Mahnmal“ erinnert an die Verschleppung jüdischer Mitbürger*innen nach Gurs, eine eigene Schrift hält das Gedenken an jüdische Familien aus Nußloch wach im Zusammenhang mit der Reichspogromnacht …
Jüdische Geschichte in Nußloch
Im Jahre 2008 konnte nach intensiver Recherche eine eigene Schrift über die jüdischen Familien, die in Nußloch gelebt haben, herausgegeben werden. Diese Dokumentation mit dem Titel „Wir erinnern uns“ greift das Leben Nußlocher Juden auf und basiert auf verschiedenen Veröffentlichungen, Berichten und Informationen von Zeitgenossen und deren Nachkommen. Im Mittelpunkt steht die Erinnerung an die Menschen, die in Nußloch ihre Heimat hatten, aber im Dritten Reich zur Emigration gezwungen waren oder in Konzentrationslagern interniert und zum großen Teil getötet wurden.
Treffend sind auch für Heute die Zeilen des Vorworts: „Die Arbeit der Erinnerung kann uns Zukunft eröffnen, die dann auch für Menschen anderer Religionen gilt, die in diesen Tagen oder in Zukunft bei uns Heimat suchen. Sie macht uns fähig zu einem offenen, versöhnlichen Umgang miteinander und zu einem beständigen interkulturellen Lernen.“
Die Broschüre “Wir erinnern uns” können Sie im ev. Gemeindebüro erhalten.
Das Nußlocher Mahnmal
Deportation Nußlocher Juden nach Gurs
Seit 2009 steht im Park beim evangelischen Gemeindehaus das Mahnmal für die in Baden und aus Nußloch vertriebenen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die am 22.Oktober 1940 nach Gurs in Südfrankreich verschleppt wurden. Dieses immer noch währende ökumenische Jugendprojekt initiiert die Auseinandersetzung vor Ort mit der jüdischen Geschichte, in deren Zusammenhang die Gestaltung eines Mahnmals steht, das sowohl an dem jeweiligen Ort als auch mit einem Pendant an der zentralen Gedenkstätte in Neckarzimmern präsent ist.
„Camp de Gurs“ war das größte Internierungslager, das 1939 in Südfrankreich am Fuße der Pyrenäen nahe der spanischen Grenze errichtet wurde. Ursprünglich für die Unterbringung von Soldaten der republikanischen Armee nach dem Ende des spanischen Bürgerkrieges vorgesehen, wurden bald unterschiedlichste Personengruppen aus politischen und rassistischen Gründen bis 1943 dort festgehalten. Insgesamt waren über 60.000 Menschen in Gurs interniert.
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Die Geschichte des Mahnmals
Das erste Mahnmal
Das erste Mahnmal wurde im Jahre 2009 als ökumenisches Jugendprojekt unter der Leitung von Fr. Gottfried (Gemeindediakonin) und Hr. Müller (Pastoralrefernt) Heinrich Müller von Nußlocher Jugendlichen geplant und im Park beim evangelischen Gemeindehaus errichtet. Dieser Gedenkstein ist Teil eines Jugendprojektes, bei dem Jugendliche aus allen badischen Orten, aus denen jüdische Menschen nach Gurs deportiert wurden, sich mit der jüdischen Geschichte ihres Ortes auseinandersetzen und zwei Zwillingssteine gestalten. Einer der Steine verbleibt im Ort, der andere wird in das zentrale Mahnmal in Neckarzimmern integriert.
Weitere Details finden Sie im Anhang. Leider haben sowohl die Witterung als auch mutwillige Beschädigungen zur fast völligen Zerstörung dieses ersten Mahnmals geführt.
Nußloch hat ein neues Mahnmal
Deshalb trafen sich im Frühjahr 2019 evangelische, katholische und jüdische Mitbürger*innen mit dem Ziel, eine Neugestaltung des Mahnmals voranzubringen. Am Abend des 22.10.2020, genau 80 Jahre nach der Deportation badischer Jüdinnen und Juden in das Internierungslager Gurs, wurde in Nußloch dieses neue Mahnmal zum Gedenken an dieses Geschehen eingeweiht. Viele Nußlocher waren der Einladung gefolgt und standen mit einer Kerze rund um den noch verhüllten Gedenkstein. Wie beim ersten Mahnmahl wurden auch jetzt wieder zwei Steine gefertigt: einer für Nußloch und einer für Neckarzimmern. Die Einweihung des Steines in Neckarzimmern fand bereits am 18.10.20 statt.
Bilder von Neckarzimmern
Die Flötistin Ute Schleich und Ruth Kern eröffneten und umrahmten die Feier im Nußlocher Nepomukpark stimmungsvoll mit ihrem Flötenspiel. Ronja Rupp, eine der Jugendlichen, die den Stein mit gestaltet haben, las eindrücklich ein Gedicht von Lola Landau, einer deutsch-israelischen Schriftstellerin. Dann war es endlich soweit: Aaliyah Munk, eine weitere Jugendliche, die an der Gestaltung des Steines beteiligt war, enthüllte das Mahnmal. Zum Vorschein kam eine naturbelassene Stele, die in ihrer Schroffheit und Kälte widerspiegeln soll, wie damals mit den Menschen umgegangen wurde. Jonna Großmann, die dritte Jugendliche aus dem Team, erklärte weiter, welche Gedanken die Jugendlichen bei der Gestaltung geleitet hatten. Quer durch den Stein und den Namenszug „Nußloch“ verläuft ein Riss, denn das Naziregime und die Deportation spaltete die Nußlocher Gemeinschaft und riss die Menschen jüdischen Glaubens aus ihrer Heimat heraus. Im Riss deuten Gitterstäbe die bedrohliche Enge des Internierungslagers an. Der Schriftzug „Gurs“ und die Jahreszahl „1940“ erinnern an das Geschehen und lehnen sich zusammen mit dem Schriftzug „Nußloch“ an das alte Mahnmal an, das der Verwitterung zum Opfer gefallen war. Oben auf dem Stein, der aus Muschelkalk aus dem Nußlocher Steinbruch stammt, liegt ein aufgeschlagenes Buch aus hellem Jurakalkstein. Es symbolisiert das Buch des Lebens, in das die Namen der Deportierten – der Eheleute Karoline und Julius Bernheim, sowie die der Schwestern Elsa und Guta Maier – eingraviert sind. Daneben der Davidstern und in deutscher und hebräischer Schrift die Worte: „Gedenke, vergiss nicht!“. Jonna betonte am Ende ihrer Rede: „Wir jungen Menschen und alle Menschen der kommenden Generation müssen daran erinnert werden, dass sich diese Ereignisse von damals niemals wiederholen dürfen“.
Herr Bürgermeister Förster dankte in seiner Ansprache allen Mitwirkenden, die zum Gelingen des Projektes beigetragen hatten: der Firma Heidelberger Zement, die die beiden Steinblöcke stiftete, dem Steinmetz Herrn Wolf, der nicht nur die Jugendlichen in seiner Werkstatt geduldig unterstützt und angeleitet hat, sondern auch die Gravur der Steine spendete. Dank ging besonders an die Jugendlichen, die sich der Aufgabe gestellt und sich engagiert haben, sowie allen ehrenamtlichen Unterstützer*innen. Dank auch den Damen und Herren des Gemeinderates, die die Kostenübernahme in Höhe von 5000 Euro beschlossen und Dank an Bauamtsleiter Herrn Leyk und das Team des Bauhofs samt Gärtnern, die dem Mahnmal einen würdigen Platz geschaffen haben. Abschließend sprach Herr Förster den Wunsch aus, dass es gelingen möge, dass diese Neugestaltung und Neuausrichtung unseres Mahnmals für Gurs im Jahr 2020 ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu gegenseitiger Achtung, zu Respekt und Geschwisterlichkeit zwischen jüdischen und christlichen Menschen wird.
Grußworte überbrachte aus der evangelischen Landeskirche Frau Kreplin. Frau Pfarrerin Mager warf in ihrer Ansprache einen kritischen Blick auf die Rolle der Kirchen während des Naziregimes und verwies auf die Bemühungen Deutschlands, Antisemitismus aktiv zu begegnen. So wurde in der Synodalerklärung aus dem Jahr 1984 entsprechend betont, „wie wichtig es ist, dem wieder in der Gesellschaft erstarkenden Antisemitismus zu wehren, in dem wir eine aktive Nachbarschaft zu jüdischen Gemeinschaften pflegen und in Kindergarten, Schule und Konfirmandenunterricht die Themen Antisemitismus und gruppenbezoge Menschenfeindlichkeit aufgreifen und Menschen dafür sensibilisieren“.
Eindrücklich sang Herr Soudy ein jüdisches Totenandachtsgebet, in das er die Namen der Nußlocher Deportierten einfügte. Mit dem Segen, von Herrn Pfarrer Lourdu gespendet, endete die Feier. Alle Beteiligten stellten, bevor sie gingen, ihre Kerze vor dem Mahnmal ab. Es hat einen würdigen Platz in der Mitte Nußlochs gefunden und lädt zum Verweilen ein: „Gedenke, vergiss nicht!“
Bilder von der Nußlocher Feier
Bericht: C. Lott
Bilder: Privat
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